Moves Montieren – Film-Tanz oder Tanzfilm?
Gäste: Andrew Bird und Janine Dauterich
Tanz und Film schaffen ihre Formen beide mit den Mitteln von Zeit, Raum und Bewegung. Doch wie finden beide zu einer Einheit, auf welch unterschiedliche Arten spielt das eine oder das andere die Hauptrolle und entfaltet seine Wirkungen? Sind Film und Tanz bei einem Projekt gleichwertig, oder ist der Tanz bloße ästhetische Illustration bzw. als Unterhaltungselement Mittel zum Zweck? Oder verharrt umgekehrt das Gezeigte ohne eigenständige Lösung vom beschränkten Theaterraum am Ende im „abgefilmten Tanz“? Montage kann unterschiedliche Tanzsprachen zu einem eigenständigen Kunstwerk verweben, kann den kinematographischen Raum selbst zum aktiven Element des Tanzes machen oder aber in Respekt vor einer Ursprungschoreographie möglichst zurückhaltend in der Ferne verharren und das für die Bühne Gedachte vergleichend im filmischen Raum nachzeichnen. Nahe Einstellungen von Körperdetails in Bewegung vermitteln im Tanzfilm Intensität, schaffen Empathie mit den Tanzenden – doch wirkt nicht das Detail als eingrenzende Limitierung, als Zerstörung choreographischer Muster? Wenn tänzerische Bewegung durch Montagetechnik komprimiert, jenseits der Gesetze der Schwerkraft zerstückelt oder durch Dopplung und Dehnung verlängert wird – stärkt oder konterkariert dies die Autorenhaltung? Und für wessen Augen wird montiert – zielt der Film auf experimentierfreudige Cineasteninnen oder mainstreamorientierte Liebhaber klassischer Opernübertragungen als Publikum? Jede Entscheidung im Montageprozess bezieht hier Stellung im Spannungsfeld von Film-Tanz und Tanzfilm.
Auch innerhalb der jeweiligen Ausrichtung gilt es, die in der Montage tänzerischer Bewegungen zur Verfügung stehenden Techniken und Erzählmuster bewusst und wirkmächtig zu verwenden. Doch welche Mittel genau hat die Tanzmontage neben den gängigen Bewegungsschnitten und wodurch wird welcher Effekt erzielt? Wann ist es einer künstlerischen Gesamtvision dienlich, in der Montage gezielt mit Auslassungen, Einstellungs- und Achsensprüngen zu arbeiten, Bewegungsmuster zu doppeln oder zu dehnen? Besonders in diesem Genre ist das Zusammenspiel mit der gewählten Ästhetik essentiell: Bietet die Kamerasprache die Möglichkeit, dass ein Bild „sich frei tanzt“ und wann nutzt der Schnitt sie am besten, wie lässt sich Spannung steigern durch „leere Bilder“, Irritation erzeugen mit harten Schnittstellen oder die Erwartungshaltung des Publikums bewusst unterlaufen in Vermeidung berechenbarer Regelmäßigkeit?
Im Spannungsfeld von Zeit, Raum, Körper und Bewegung stellen sich immer wieder auch Fragen auf der Metaebene. Denn Bewegung geschieht oft intuitiv – spielt auch beim Tanz der Zufall eine Rolle und was bedeutet diese Idee für den Schnitt?
Diese und andere Fragen werden – auch mittels ganz konkreter Beispiele und Filmausschnitte – im Dialog zweier Fachleute ausgelotet: Janine Dauterich, Expertin für und Editorin von vielfältigen Tanzmontagen stellt u.a. ihr seinerzeit in Kooperation mit dem ZDF Theaterkanal entwickeltes Projekt Embodied vor, in dem fünf durch Montage verwobene Tänze verschiedene innere Zustände und Konflikte spiegeln. Editor Andrew Bird spricht über seine den Schnitt der Regisseurin Alla Kovgan maßgeblich beratende Tätigkeit für den Porträt- und Tanzfilm Cunningham, der Leben, vor allem aber Choreographien des Ausnahmetänzers und -choreographen zum Gegenstand hat.